Montag, Mai 12, 2003

Landtag NRW, Drucksache 13/3896

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 13. Wahlperiode

Drucksache 13/3896 vom 12.05.2003. Antwort der Landesregierung auf Kleine Anfrage 1213 des Abgeordneten Hubert Schulte CDU, Drucksache 13/3751

Wortlaut der Kleinen Anfrage 1213 vom 24. März 2003:

Seit Mitte der neunziger Jahre sorgt ein neues Finanzierungsinstrument für Furore: So genannte Cross-Border-Leasing-Verträge (CBL). Bei diesem grenzüberschreitenden Besitzverkehr verkaufen Städte und Gemeinden Teile ihrer Infrastruktureinrichtungen wie z. B. Kanalnetze, Kläranlagen, Straßenbahnen, Schulgebäude oder Kliniken an US-Firmen und mieten die Objekte gleichzeitig zurück. Dem amerikanischen Investor entsteht durch ein solches Geschäft ein Steuervorteil von bis zu 35 Prozent des investierten Kapitals. Ein kleiner Teil der aufgeschobenen Steuerschuld, meist 2,5 bis 6 Prozent des Transaktionsvolumens wird an die Kommunen weitergereicht. In den seltensten Fällen wird das Geld genutzt, um es den Gebührenzahlern zur Verfügung zu stellen. In den meisten Fällen wird es dazu gebraucht, die Löcher in den maroden Haushalten zu stopfen. Darüber hinaus profitieren Banken, Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien von derartigen Verträgen.

In jüngster Zeit wurde die Bevölkerung durch Presseberichte aufgeschreckt, daß derartige Geschäfte immer weiter zunehmen und erhebliche Risiken für die deutschen Geschäftspartner beinhalten.



Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

Sieht die Landesregierung in den CBL-Verträgen ein probates Mittel, kommunale Haushalte zu sanieren?

Die Vertragswerke zeichnen sich im Regelfall durch mehrhundertseitige Schriften aus, die in englischer Sprache verfaßt sind.

Hat sich die Landesregierung damit schon einmal befaßt und kennt sie die Inhalte der Verträge? Hat die Landesregierung selbst schon CBL-Verträge abgeschlossen oder beabsichtigt sie dies in der Zukunft zu tun?

Mit welchen Risiken müssen aus Sicht der Landesregierung die Kommunen beim Abschluß dieser Verträge rechnen?

Die bayerische Landesregierung betrachtet CBL-Verträge mit großer Skepsis und plant, sie für ihr Bundesland zu untersagen. Gibt es gleichlautende Pläne des Landes NRW?

Antwort des Innenministers 9. Mai 2003 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister:

Zur Frage 1: US-Cross-Border-Geschäfte können die kommunalen Haushalte nicht sanieren, sondern stellen allenfalls für die Kommunen, die derartige Geschäfte abgeschlossen haben oder abschließen wollen, einen Beitrag dar, um den Haushalt einmalig oder mehrmalig - je nach Höhe des jeweiligen Barwertvorteils - um einige Mio. Euro zu entlasten. Die Erzielung dieses finanziellen Vorteils ist allerdings mit den möglichen Risiken derartiger Geschäfte abzuwägen (vgl. Antwort auf Frage 4).

Zur Frage 2: Zunächst einmal ist es Sache der Kommunen, im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts eigen-verantwortlich zu entscheiden, ob sie derartige Geschäfte abschließen wollen oder nicht. Aufgrund der Bedeutung und Tragweite solcher Geschäfte kann dies nur der Rat bzw. Kreistag.

Allenfalls müssen Teile des CBL-Geschäftes der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde (Bezirksregierung oder Landrat) angezeigt werden, wenn z. B. im Zusammenhang mit der Abwicklung kommunale Bürgschaften gegeben werden. Danach ist es weder Aufgabe der Kommunalaufsichtsbehörden noch wären sie dazu von ihren Kapazitäten her in der Lage, das gesamte Vertragswerk vollständig und detailliert zu prüfen.

Gleichwohl führen die Kommunalaufsichtsbehörden untereinander und mit dem Innenministerium zu CBL einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch durch. Ferner sind diese i.d.R. bereits im Vorfeld solcher Geschäfte anhand der Transaktionsbeschreibungen beratend eingebunden, wobei sie die Kommunen auf typische Risiken und Sorgfaltspflichten hinweisen. Dazu gehört auch, daß der Rat vor Ort umfassend informiert ist, damit er seine Entscheidung in Kenntnis aller Risiken treffen kann.

Die Kommunalaufsichtsbehörden nehmen dabei eine Risikobeurteilung der gesamten genehmigungspflichtigen Vertragsteile vor. Eine auf die Gesamttransaktion bezogene Risikobeurteilung ist Aufgabe der kommunalen Körperschaft im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Die Rechtsaufsicht weist anläßlich der Prüfung der beantragten Genehmigungen regelmäßig auf diesen Sachverhalt hin und empfiehlt allen Kommunen, ergänzend zum verwaltungsinternen Sachverstand externe und unabhängige Beratung zur Vorbereitung und Begleitung der Entscheidung beizuziehen. Die Praxis der Kommunalaufsichtsbehörden in NRW entspricht auch derjenigen in den anderen Bundesländern. Im Übrigen hat sich die Landesregierung mit einzelnen steuerlichen und zuwendungsrechtlichen Aspekten des CBL befaßt.

Zur Frage 3: Die Landesregierung hat bislang keine CBL-Verträge abgeschlossen und plant zurzeit auch keine derartigen Verträge abzuschließen.



Zur Frage 4: Generell werden nach Kenntnis der Landesregierung bei CBL-Geschäften im Wesentlichen folgende Risiken benannt:

unbeherrschbare Risiken bei Leistungsstörungen, wie z. B. dem Untergang der vermieteten Anlage, bei US-Steuerrechtsänderungen oder Konkurs des Trusts;

zu langfristige Vertragsbindung, wodurch die Gestaltungs- und Planungsmöglichkeiten unangemessen eingeschränkt werden könnten;

Instandsetzungsverpflichtungen, wenn die vermietete Anlage z. B. wegen der geringen Auslastung oder aufgrund neuer technischer Standards nicht mehr

wirtschaftlich betrieben werden könne;

Intransparenz und zu große Komplexität der Verträge;

steuerliche Risiken;

Konkursrisiko des US-Investors und der Banken;

Risiko der Verwendung des Barwertvorteils im allgemeinen Haushalt.

Durch entsprechende vertragliche Festlegungen können die Risiken reduziert, aber - wie bei anderen langfristigen Verträgen auch - nicht vollständig ausgeschlossen werden. In der Verantwortung stehen hier die Kommunen, die im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts die Entscheidung über das Zustandekommen solcher Geschäfte treffen. Auch wenn sich die Verwaltung dabei von externen Fachleuten beraten läßt, muß sie sich selbst ein umfassendes Bild über die Vorteile und Risiken verschaffen und dies dem Rat transparent vermitteln. Die Kommunalaufsicht ersetzt nicht das eigenverantwortliche Handeln der Kommune. Sie wird jedoch im Vorfeld in der Regel von den Kommunen zur Beratung hinzugezogen und weist auf typische Risiken hin. Die Entscheidung der Kommune hat sie zu respektieren, es sei denn, sie verstieße erkennbar gegen geltendes Recht.

Zur Frage 5: Nein. Die Diskussion über den bayerischen Entwurf ist im Übrigen nach Kenntnis der Landesregierung noch im vollen Gang. Insbesondere wird zu klären sein, wie weit man durch gesetzliche Regelungen in das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen eingreifen will und darf. Die Kritiker mahnen belastbare Fakten an, die eine Untersagung derartiger Geschäfte rechtfertigen könnten, sehen das kommunale Selbstverwaltungsrecht gefährdet und befürchten Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Kommunalunternehmen.

Der Bayerische und Deutsche Städtetag befürchten eine Bevormundung der Kommunen und lehnen den Gesetzentwurf daher ab. Da der Abschluß derartiger Geschäfte der kommunalen Eigenverantwortung im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts obliegt (vgl. Antwort zu Frage 2) und im nordrhein-westfälischen Kommunalrecht die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung eine hervorgehobene Rolle spielt, bieten CBL-Geschäfte nach Auffassung der Landesregierung keinen Anlaß, von dieser Haltung zu Lasten der kommunalen Eigenverantwortung abzurücken.

Freitag, Mai 02, 2003

Zum Steuerabzug für Zahlungen der zahlungsübernehmenden Parteien

Zinsabschlagsteuer ist nicht einzubehalten.

Eine Zinsabschlagspflicht könnte dadurch begründet sein, daß in den Zahlungen der zahlungsübernehmenden Parteien Zinsanteile enthalten sind. Dies würde weiter voraussetzen, dass die deutsche Seite als Gläubigerin der Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe b EStG anzusehen ist. Sie könnte lediglich unter dem Gesichtspunkt als Gläubigerin von Zinsen anzusehen sein, daß sie rechtlich weiterhin zur Zahlung der während der Rückmietzeit anfallenden Mietzinszahlungen an den US Trust verpflichtet ist, obwohl die zahlungsübernehmenden Parteien sich verpflichtet haben, diese Verbindlichkeiten zum Erlöschen zu bringen. Die Zahlungen könnten somit lediglich als abgekürzter Zahlungsweg für eine Zinszahlung an die deutsche Seite gewertet werden.

Unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise handelt es sich bei der Transaktion während der Rückmietzeit jedoch nicht um separate Vertragspflichten sondern um ein einheitliches geschlossenes Vertragswerk. Ein Abzug von Zinsabschlagsteuer ist mangels deutschem Gläubiger der in den Zahlungsströmen enthaltenen Zinsanteile daher nicht möglich.