Mittwoch, Oktober 27, 2004

VG Hamburg, Urteil vom 27. 10. 2004 - 7 K 3176/04 (nicht rechtskräftig)

Abschreibung bei „Cross-Border-Leasing"-Geschäft

Die Hamburger Stadtentwässerung kann ihr Anlagevermögen bei der Gebührenkalkulation auch dann noch abschreiben, wenn sie dieses in einem so genannten „Cross-Border-Leasing"-Geschäft an einen US-Trust verleast hat.

VG Hamburg, Urteil vom 27. 10. 2004 - 7 K 3176/04 (nicht rechtskräftig)

Zum Sachverhalt:

Der Kl. wandte sich erfolglos gegen die Heranziehung von Sielbenutzungsgebühren.

Aus den Gründen:

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die mit Bescheid vom 23. 3. 2004 festgesetzte Sielbenutzungsgebühr und der diese Gebühr bestätigende Widerspruchsbescheid vom 19. 5. 2004 sind rechtmäßig; sie verletzen den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 113 I 1 VwGO). Die angefochtene Gebührenfestsetzung für die Nutzung des öffentlichen Siels hält einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Die Gebührenfestsetzung findet ihre gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des Sielabgabengesetzes (HbgSAG) i.d.F. vom 21. 1. 1986 (HbgGVBl S. 7, 33), zuletzt geändert am 19. 7. 2000, in Verbindung mit der auf Grund des § 15 II HbgSAG erlassenen Verordnung über die Höhe der Sielbenutzungsgebühr vom 2. 12. 1997 (HbgGVBl S. 533), zuletzt geändert am 4. 12. 2001 (HbgGVBl S. 531, 573). Gemäß § 1 I Nr. 2 HbgSAG hat die Bekl. Anspruch auf die Entrichtung von Gebühren für die Benutzung öffentlicher Sielanlagen (Sielbenutzungsgebühr). Die Höhe dieser Gebühr errechnet sich gem. §§ 13ff. HbgSAG aus der Abwassermenge, die in öffentliche Sielanlagen gelangt (Bemessungsgrundlage, § 13 HbgSAG), sowie aus der Berechnungseinheit (dem Gebührensatz, § 15 HbgSAG). Allein nach diesen gesetzlichen Bestimmungen des hamburgischen Landesgesetzgebers ist dieser Fall zu beurteilen; die Sichtweise des US-Investors bzw. die dortige Rechtslage ist unerheblich.

2. Bei der Festlegung des maßgeblichen Hebesatzes von 2,58 Euro nach § 1 I der Verordnung über die Höhe der Sielbenutzungsgebühr war es der Bekl. nicht verwehrt, die Abschreibungen für das auf den US-Trust im Wege des „Cross-Border-Leasing"-Geschäfts übertragene und gleichzeitig zur Nutzung auf sie zurückübertragene Anlagevermögen gebührenerhöhend einzustellen. Die Vorschrift des § 6 II 1 HbgGebG, die gem. § 15 II 4 HbgSAG bei der Ermittlung der durch Gebühren abzudeckenden Kosten anzuwenden ist, benennt ausdrücklich Abschreibungen als Kosten, die im Rahmen der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen sind.

Eine ausnahmsweise Nichtberücksichtigung des Anlagevermögens ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen des § 6 I HbgGebG. Diese Bestimmung sieht vor, dass bei der Ermittlung der durch Gebühren abzudeckenden Kosten die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Gesamtkosten der jeweiligen Verwaltungseinheit anzusetzen sind. Die Abschreibungen für das dem US-Trust im Wege des Leasingvertrags überlassene und sodann sofort zurückgeleaste Anlagevermögen sind entgegen der Auffassung des Kl. Bestandteil dieser betriebswirtschaftlich ansatzfähigen Gesamtkosten.

Dies ergibt sich aus der gewählten Vertragskonstruktion. Nach dieser Konstruktion ist die Bekl. nicht nur nach bürgerlichem Recht Sacheigentümerin der verleasten Objekte geblieben, sondern sie hat auch bei der im Rahmen des § 6 I HbgGebG maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ihr Eigentum zu keinem Zeitpunkt an die HSE limited verloren. Diese wirtschaftliche Betrachtung entspricht den zu § 39 AO 1977 entwickelten Prinzipien. Demnach ist abweichend vom Grundsatz, dass Wirtschaftsgüter steuerlich dem Eigentümer zuzurechnen sind, das Wirtschaftsgut dann einem anderen zuzurechnen, wenn dieser die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer von der Einwirkung auf dieses wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 II Nr. 1 S. 1 AO 1977). Dem steht auch nicht § 39 II Nr. 1 S. 2 AO 1977 entgegen, wonach bei Treuhandverhältnissen der Treugeber als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist. Dies könnte auf dem ersten Blick dafür sprechen, vorliegend die HSE limited auf Grund ihrer Eigenschaft als maßgeblicher Leasinggeberin die Funktion der wirtschaftlichen Eigentümerin zuzusprechen. Dies würde aber die besondere Gestaltung des Leasingkonstrukts verkennen. Nach dieser Konstruktion hat die Bekl. zwar die Nutzungsrechte an den fraglichen Anlagegegenständen auf die HSE limited übertragen, diese aber zugleich von der Gesellschaft in vollem Umfang zurückerhalten. Es besteht mithin keine Möglichkeit der HSE limited, die Bekl. etwa von der Nutzung der Leasinggegenstände auszuschließen, sofern diese sich vertragstreu verhält. Auch die längere Laufzeit des Hauptleasingvertrags gegenüber dem Leasingvertrag, mit dem die Bekl. die Nutzungsrechte zurückerhält, steht dem nicht entgegen. Nach Beendigung des Leasingvertrags mit Ablauf von 26 Jahren ist der Bekl. eine Kaufoption eingeräumt. Die Ausübung dieser Kaufoption liegt dabei einzig in der Hand der Bekl. Der Kaufpreis wurde bereits bei Abschluss der Leasingverträge festgelegt.

Der Annahme, die Bekl. sei wirtschaftliche Eigentümerin der Leasinggegenstände geblieben, steht auch nicht entgegen, dass aus Sicht des amerikanischen Steuerrechts eine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf die HSE limited stattgefunden hat. Dies hat zwar zur Folge, dass der Wert der an die HSE limited geleasten Gegenstände auch in den USA abgeschrieben bzw. die Steuerschuld zeitlich nach hinten verschoben werden kann. Dies widerspricht entgegen einer - namentlich vom Kl. - in der Literatur vertretenen Ansicht aber nicht den Grundsätzen logischen und widerspruchsfreien Rechtsdenkens (vgl. Schacht, KStZ 2001, 229 [231]). Der Kl. geht fehl in der Annahme, es könne unter rechtslogischen Gesichtspunkten lediglich ein einziges wirtschaftliches Eigentum geben. Dies trifft zwar insofern zu, als diese steuermindernde Position innerhalb ein und derselben Rechtsordnung lediglich einmal in Ansatz gebracht werden kann. Damit ist indes nicht ausgeschlossen, dass eine ausländische und von der deutschen Gesetzgebung unabhängige Steuerordnung denselben Rechtsvorgang abweichend wertet. Dies hat dann zur Folge, dass der Steuervorteil, der dem deutschen Vertragspartner in der Bundesrepublik gewährt wird, vom amerikanischen Vertragspartner in den USA ebenfalls geltend gemacht werden kann (so etwa Laudenklos/Pegatzky, NVwZ 2002, 1299 [1305]).

Der doppelten Abschreibungsmöglichkeit im deutschen und US-amerikanischen Recht steht auch nicht das deutsch-amerikanische Doppelbesteuerungsabkommen entgegen. Ratio des Doppelbesteuerungsabkommens ist es, die mehrfache steuerliche Erfassung eines einzigen Vorgangs durch mehrere Steuergläubiger zu verhindern und den vereinnahmten Steuerbetrag unter den in Betracht kommenden Steuergläubigern aufzuteilen. Bei der derzeit im internationalen Steuerrecht erreichten Harmonisierungstiefe ist hingegen - anders als etwa in Bereichen des Rechts der Europäischen Union - eine Abstimmung der Steuervergünstigungen der Staaten untereinander noch nicht erfolgt (Laudenklos/Pegatzky, NVwZ 2002, 1299 [1302]; Frotscher, Internationales SteuerR, 2001, § 5 Rdnrn. 1, 6). Schließlich steht der Berücksichtigung des geleasten Anlagevermögens bei der Gebührenkalkulation nicht die bisherige verwaltungsgerichtliche Spruchpraxis entgegen. Zwar hat das VG Gelsenkirchen (Urt. v. 27. 11. 2003 - 13 K 2021/03) in einer insofern gleich gelagerten Situation der von der dortigen Kl. erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben. Allerdings begründete das Gericht dies nicht mit der unzulässigen Abschreibung des geleasten Sachanlagevermögens, sondern stellte in einem obiter dictum fest, dass gegen die Einbeziehung des im Rahmen eines „Cross-Border-Leasing"-Geschäfts an einen US-amerikanischen Trust geleaste und sogleich zurückgeleasten Anlagevermögens in die Gebührenkalkulation keine Bedenken bestünden (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 27. 11. 2003 - 13 K 2021/03).

3. Im Übrigen bestand keine Verpflichtung der Bekl., den aus dem Rechtsgeschäft mit dem US-Trust erhaltenen Barwertvorteil unmittelbar in die Gebührenkalkulation einzustellen (so ebenfalls Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, KommunalabgabenR, Loseblatt, Stand: Januar 2004, § 6 Rdnr. 64; Kuchler, KStZ 2003, 61 [69]; Laudenklos/Pegatzky, NVwZ 2002, 1299 [1302]). Der gegenläufigen Ansicht, derzufolge der Barwertvorteil gebührenmindernd in Ansatz zu bringen ist (Schacht, KStZ 2001, 229; Quaas, NVwZ 2002, 144 [146]), kann nicht gefolgt werden.

Es handelt sich bei dem Barwertvorteil nicht um eine Einnahme, die einem leistungsbedingten Werteverzehr des Anlagevermögens der Bekl. korrespondiert. Dies wäre aber mit dem in § 6 I 1 HbgGebG zum Ausdruck kommenden wertmäßigen Kostenbegriff erforderlich, um den Gewinn aus dem „Cross-Border-Leasing"-Geschäft direkt in die Gebührenkalkulation einzustellen. Kosten in diesem Sinne sind der bewertete Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen für Herstellung und den Absatz von betrieblichen Leistungen und die Aufrechterhaltung der dafür erforderlichen Kapazitäten (vgl. zur entsprechenden Rechtslage in Nordrhein-Westfalen Schulte/Wiesemann, Rdnr. 47). Der Barwertvorteil ist aber nicht Teil des Prozesses von Leistung und Gegenleistung der Abwasserbeseitigung. Nicht die unschädliche Abwasserbeseitigung, für die die Grundstückseigentümer Gebühren bezahlen, wird durch die Transaktion entgolten, sondern ein Steuervorteil, der nach amerikanischem Recht einem Investor in den Vereinigten Staaten verschafft wird (so auch VG Gelsenkirchen, Urt. v. 27. 11. 2003 - 13 K 2021/03, S. 10/11). Auf Grund der Vertragsgestaltung kann der US-Investor nämlich den ausländischen Leasinggegenstand in seiner Bilanz aktivieren und so Abschreibungsverluste geltend machen. Den daraus entstehenden Vorteil stellt er seinem deutschen Vertragspartner zu einem bestimmten Teil als Gegenleistung für das Eingehen des Geschäfts als so genannten Barwertvorteil zur Verfügung. Damit sind Einnahmen, die durch ein „Cross-Border-Leasing"-Geschäft erzielt werden, in einer Gebührenkalkulation nicht zu berücksichtigen (ebenso Schulte/Wiesemann, Rdnr. 64).

Im Übrigen kommt der Barwertvorteil in Gestalt der Verzinsung den Gebührenpflichtigen letztlich doch zugute. Die Bekl. hat nämlich dargelegt, dass sie damit eine Rücklage gebildet hat, deren Zinsen sie bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt.

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